Zum Weltfrauentag
wirbt die Frauenbeauftragte der Marli Werkstätten mit Selbstverteidigungs-workshops und Kaffeerunden
Seit November 2017 ist Anke Raddatz die Frauenbeauftragte der Marli GmbH. Ihre Aufgabe ist es, sich für die Belange von Frauen einzusetzen, die in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in Lübeck arbeiten. Anlässlich des Weltfrauentages am 8. März wirbt sie um die Aufmerksamkeit und Partizipation ihrer Kolleginnen.
Anke Raddatz (l.), Frauenbeauftragte der Marli GmbH und Marlen Johannsen (r.), Gruppenleiterin Hofcafé Marli
Zwei Tage lang nimmt sich Anke Raddatz Zeit, um 280 Briefumschläge zu befüllen und beschriften. Ein Brief für jede Frau, die in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in Lübeck arbeitet. Inhalt der Briefe: Info-Flyer über die Arbeit der Frauenbeauftragten und Schlüsselanhänger, bedruckt mit der bundesweiten Hilfetelefonnummer. Am 8. März, dem Weltfrauentag sollen die die Briefe intern verschickt werden. Die Botschaft an die Frauen ist deutlich: “Es gibt mich. Ich bin da. Ihr könnt mich jederzeit ansprechen.”
Mehr als ein Jahrzehnt arbeitete Anke Raddatz in der Kerzengießerei der Marli Werkstätten. Vor fünf Jahren wurde sie von ihren Kolleginnen zur Frauenbeauftragten der Marli GmbH gewählt. Seit dem ist sie ist an zwei Tagen der Woche in ihrem Büro für die Frauen derWerkstatt ansprechbar. Unterstützend an ihrer Seite, ihre selbst gewählte Vertrauensperson Marlen Johannsen, Gruppenleiterin im Hofcafé Marli GmbH.
“Ich hab vieles erlebt als Kind, deswegen weiß ich in vielen Fällen wie ich Frauen helfen kann.”, sagt Raddatz, die 2021 für ihre zweite Amtszeit wiedergewählt wurde. Neben ihrer persönlichen Erfahrung bringt die gebürtige Lübeckerin eine Schulung zur Frauenbeauftragten sowie diverse Fortbildungen mit ins Amt. Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit besteht in der Vernetzung mit den Frauenbeauftragten anderer Werkstätten in Deutschland. Ermöglicht wird dies von Vereinen wie z.B. Weibernetz e.V., der bundesweiten Selbstvertretungsorganisation von Frauen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen oder Mixed pickles e.V., dem landesweiten Vernetzungs- und Koordinationsbüro für Schleswig-Holstein mit Sitz in Lübeck.
Was genau die Aufgaben einer Frauenbeauftragten seien, das hätte sie zunächst erst einmal lernen müssen, so Raddatz. Es sei wichtig, die Bereiche in denen Frauen Hilfe brauchen zunächst einmal ausfindig zu machen. Daher organisierte Anke Raddatz anlässlich des Frauentags 2021 eine anonyme Umfrage, um zu verstehen welche Probleme und Herausforderungen die Frauen in der WfbM besonders beschäftigen.
Die Resultate waren eindeutig: Gewalt, Bedrohung, und Belästigung. Themen, die Anke Raddatz sehr ernst nimmt: “Ich habe in solchen Fällen eine Schweigepflicht und kann Frauen, die Gewalt erfahren und psychologische Betreuung benötigen weiter an die Nothilfe oder an Frauenhäuser vermitteln.”
Die Auswirkungen von häuslicher Gewalt in Zeiten der Corona-Pandemie seien insbesondere für die Frauen gravierend. Auch die Frauen der Marli Werkstätten sind davon betroffen: “Oft nutzen Frauen, die bei uns arbeiten einen Fahrdienst und sind alleine nicht mobil. Ohnehin ist es schon eine riesige Überwindung überhaupt Hilfe zu suchen. Durch die vielen Lockdowns hat sich der Zugang zu Hilfe weiter erschwert.”, sagt Raddatz.
“Durch die Corona-Krise sind wir in letzter Zeit nicht soweit gekommen wie wir eigentlich wollten”, sagt Marlen Johansen. Deswegen bietet der Weltfrauentag dem Team der Frauenbeauftragten nun den passenden Anlass, die geplanten Aktivitäten im kommenden Jahr zu bewerben und die Frauen zum Anpacken und Mitmachen zu animieren.
Zum Anpacken hat Anke Raddatz diesen Sommer WenDo-Kurse organisiert. “Das sind Selbstverteidigungskurse, in denen Frauen lernen, wie sie sich im Notfall wehren können. Die Kurse können draußen stattfinden, so können mehr Frauen daran teilnehmen.”, erklärt Raddatz und zeigt einige Verteidigungsposen, die sie selbst in einem der Kurse erlernt hat.
Zum Mitmachen sollen auch die Kaffeerunden animieren, in denen Frauen sich miteinander austauschen und gegenseitig stärken können. “Am besten funktionieren die im Hofcafé Marli, während der Arbeit, weil die Frauen dann nicht noch extra hinfahren müssen. Dies wird auch von der Leitung unterstützt, um mehr Frauen zu erreichen.”, erläutert Raddatz
2024 möchte Anke Raddatz ihr Amt aufgeben, um in Rente zu gehen. Bis dahin ist die Agenda der Frauenbeauftragten prall gefüllt. Das eindeutig schönste an ihrem Arbeitsalltag: Jeden Tag wird gelächelt. “Lachen, fröhlich sein, keine pampigen Gesichter machen - nur so kommt man vorwärts”. Bei den ernsten Themen wird dann aber nicht gelacht: “Es ist wichtig, dass wir die Frauen ernst nehmen, damit sie zu uns kommen, denn nur so gibt es auch in den Marli-werkstätten Geschlechtergerechtigkeit”.
Madita Strähle | 03/03/2022